Kündigen während der Elternzeit: Macht das wirklich Sinn?

Kündigen während der Elternzeit

Wer im Job gerade unzufrieden ist, freut sich auf die willkommene Auszeit: Elternzeit! Abstand vom Job, Abstand von den Vorgesetzten, Abstand vom stressigen Arbeitsalltag. Rein in ein neues Abenteuer: Familie! Und nicht wenige sagen sich: “Nach der Elternzeit gehe ich nicht mehr in meinen alten Job zurück, ich mache was anderes!”

Und irgendwann vor dem Wiedereinstieg, wenn das Gespräch mit dem Arbeitgeber zur Rückkehr ansteht, wird’s ernst. Spätestens dann müssen wir die Frage für uns klären: Kündigen oder bleiben? Kündige ich direkt, noch während der Elternzeit, oder gehe ich erstmal zurück und höre und schaue mir an, was mein Arbeitgeber mir anbietet?

Meine Empfehlung (auch wenn ich mir “berufliche Neuorientierung während der Elternzeit” auf die Fahne schreibe!) heißt: Ruhe bewahren und nicht voreilig zu irgendeiner Tat schreiten!

Wenn Du Dir selbst gerade die Frage stellst, ob eine Rückkehr in Deinen bisherigen Job sinnvoll ist oder nicht, helfen Dir vielleicht meine Antworten auf die folgenden Fragen, die ich häufig gestellt bekomme, bei Deiner Reflexion:

Mal ehrlich: Wie viele Deiner Klient*Innen orientieren sich wirklich während der Elternzeit neu, nachdem sie zum Coaching bei Dir waren?

Natürlich kommt es immer darauf an, in welcher Situation meine Klient*Innen sind, wenn sie zu mir kommen. Manche haben innerlich schon gekündigt und trauen sich aber nicht, es wirklich zu tun. In dem Fall tun es dann die meisten, nachdem sie das Coaching bei mir gemacht haben. Aber es gibt auch einige, die - obwohl sie sich eigentlich in ihrem Job nicht mehr wohlgefühlt haben - trotzdem erstmal zurück in ihren Job gehen nach der Elternzeit, aus nachvollziehbaren Gründen. Oft spitzt sich die Lage dann aber weiter zu und spätestens nach der Geburt des nächsten Kindes stehen die gleichen Überlegungen an. Viele kündigen auch dann erst.

Jedoch gibt es ja noch Optionen dazwischen, also zwischen “kündigen” und “im gleichen Job weiterarbeiten”. Viele meiner Coachees denken während der Elternzeit über eine Selbständigkeit nach, die sich ja oft auch erstmal gut nebenbei machen lässt. Oder sie besuchen während der Elternzeit eine Weiterbildung zu einem Thema, das sie schon immer interessiert hat und welches sie dann auch nach der Elternzeit verfolgen. Oder sie absolvieren eine Zusatzqualifikation, um nach der Elternzeit möglicherweise einen Karriereschritt zu machen. Oder sie informieren sich, welche Möglichkeiten es bei ihrem jetzigen Arbeitgeber noch gibt, außerhalb des Bereichs, in dem sie bisher tätig waren. Oder oder oder.

Also die kurze Antwort auf die Frage lautet: Bei den meisten meiner Klient*Innen ergibt sich aus dem Coaching heraus eine berufliche Veränderung, die wenigsten kündigen aber direkt während ihrer ersten Elternzeit.

Du meintest, viele kündigen erst, wenn das zweite Kind da ist. Warum ist das so?

Oft sagen mir meine Klient*Innen, dass in ihrer ersten Elternzeit einfach nicht der richtige Zeitpunkt war. Ein kleines Baby zu Hause bedeutet ein großer Umbruch für die ganze Familie und natürlich für einen selbst. Dieses kleine Wesen bringt schon so viel Veränderung und es rüttelt einfach am Familiensystem, sodass Eltern oft das Bedürfnis verspüren, wenigstens im Job für Stabilität zu sorgen und nicht auch noch in diesem Bereich eine Veränderung anzustoßen. Mal abgesehen davon ist eine Kündigung während der Elternzeit für viele auch einfach finanziell keine Option oder stellt ein zu großes Risiko dar. Und dazu würde ich auch im ersten Schritt nicht raten, es sei denn die Unzufriedenheit ist wirklich groß oder eine es gibt ernsthafte Alternativen. Außerdem stehen meistens, sobald das erste Kind aus dem “Gröbsten” raus ist, die Überlegungen für ein weiteres Kind oder weitere Kinder an. Solange die Familienplanung also nicht abgeschlossen ist, trauen sich viele Eltern nicht, ihre sicheren Jobs aufzugeben bzw. möchten hier einfach für Stabilität und finanzielle Sicherheit sorgen - was ja auch absolut verständlich ist!

Erst wenn das Kind oder auch weitere Kinder dann verlässlich in der Betreuung sind, haben Eltern wirklich die Zeit, aber auch die mentale Kapazität und auch den Mut wirklich eine berufliche Veränderung zu vollziehen.

Ist Dein Angebot denn dann überhaupt das richtige: Berufliche Neuorientierung während der Elternzeit?

Unbedingt! Es heißt ja nicht "Jobwechsel während der Elternzeit", sondern "Orientierung" :-) Ich bin überzeugt davon, dass es unglaublich viel wert ist, sich schon während der Elternzeit mit sich selbst, den eigenen Stärken, Kompetenzen und den Wünschen für die eigene berufliche Zukunft auseinanderzusetzen. Wenn man sich diese Gedanken einmal gemacht hat und Klarheit über seine eigenen beruflichen Ziele gemacht hat, fällt ein Job- oder Tätigkeitswechsel später viel leichter. Sobald der richtige Zeitpunkt für einen möglichen Jobwechsel gekommen ist, kann es dann nämlich direkt richtig losgehen mit der Jobsuche, weil schon klar ist, wonach gesucht wird.

Denn wenn die Kinder mal 3 oder 4 Jahre alt sind, wird der Alltag ja nicht unbedingt ruhiger. Dann haben die meisten schon mit der Doppelbelastung Job und Familie zu kämpfen. Und wenn die Unzufriedenheit im Job dann wächst und man sich aus dieser Doppelbelastung und Unzufriedenheit neu orientieren möchte, fällt das oft schwer und fühlt sich erstmal wie ein großer Berg Arbeit an. Deshalb harren viele in dieser Phase in ihren Jobs aus und orientieren sich erst viel später neu. Nämlich dann, wenn die Kinder in der Schule sind und es wirklich etwas ruhiger wird.

Wenn man sich die Gedanken zur beruflichen Zukunft aber schon während der ersten oder zweiten Elternzeit gemacht hat, kann man an einem ganz anderen Punkt ansetzen. Dann gelingt die berufliche Neuorientierung bzw. der Jobwechsel auch früher - und man kann sich die Jahre der Unzufriedenheit sparen.

Was würdest Du denn raten, wenn jemand unzufrieden ist im Job, aber die finanzielle Sicherheit nicht aufgeben möchte?

Zunächst würde ich mit meinem Coachee besprechen, warum er oder sie unzufrieden ist und die Gründe herausarbeiten. Dann finden heraus, ob wir an dieser Situation etwas verändern können, beispielsweise durch Gespräche mit dem Arbeitgeber, durch eine Veränderung der Rahmenbedingungen oder auch durch eine Veränderung der eigenen Haltung oder Perspektive auf die Arbeit. Oft kann die Situation durch kleinere Veränderungen einzelner Faktoren zumindest für eine Zeit lang deutlich verbessert werden. Manchmal ist dies auch eine kleine zusätzliche Nebentätigkeit, die den Fokus auf andere Themen lenkt. Oder ein Hobby, welches für mehr Zufriedenheit oder Ausgeglichenheit sorgt.

Definitiv rate ich aber einen Plan zu machen. Eine Plan für eine berufliche Zukunft, die kommen darf, wenn man bereit ist. Hier erarbeite ich dann mit meinen Klient*Innen ihre Stärken, ihre Kernkompetenzen, wir schauen uns ihre (möglicherweise) veränderten Werte an. Wir prüfen aber auch, welche Rahmenbedingungen in einem neuen Job gegeben sein müssen. Wir überlegen uns, welche Optionen oder alternative Joboptionen es gibt. Wir tun so, als ob die Person schon entschieden hätte, nicht mehr in ihrer jetzigen Tätigkeit weiterarbeiten zu wollen. Sich einmal mit all diesen Fragen auseinanderzusetzen sorgt oft für ein Gefühl von Unabhängigkeit, Klarheit und innerer Stärke. Das wiederum ist unglaublich wichtig, wenn es dann wirklich um die Frage einer möglichen Kündigung und Neuorientierung geht. Außerdem kann dieser Fokus auf eine mögliche zukünftige Perspektive die aktuelle Unzufriedenheit relativieren und einem das Gefühl geben, es selbst in der Hand zu haben und sich auch einzugestehen: “Im Moment bin ich in einem Job, der mich nicht zufriedenstellt, aber ich habe ganz bewusst entschieden erstmal zu bleiben, weil ich die finanzielle Stabilität schätze. Ich weiß aber, sobald ich bereit für einen Wechsel bin, habe ich einige Optionen im Hinterkopf und könnte direkt mit der Jobsuche starten”.

In welchen Situationen ist eine Kündigung während der Elternzeit dennoch sinnvoll?

Eine Kündigung während der Elternzeit kann sinnvoll sein, wenn beispielsweise der Elterngeldbezug sowieso schon vorüber ist und man im Prinzip “nur” noch in Elternzeit ist, weil man nicht mehr in seinen alten Job zurück möchte und noch nicht weiß, welchen Job man stattdessen ausüben möchte. Dann könnte uns die Elternzeit auch wirklich daran hindern, mit etwas Neuem zu starten. Dann könnte die Zeit reif sein, die eigene Komfortzone zu verlassen und Neues zu wagen.

Es gibt auch Fälle, wo der Gedanke an die Rückkehr Bauchschmerzen bereitet und es einfach gesund und hilfreich ist, dem ein Ende zu setzen und für Klarheit zu sorgen.

Was machst du konkret mit Klient*Innen, die sich nicht entscheiden können, ob sie nun kündigen oder in ihrem bisherigen Job weiterarbeiten sollen?

Wenn mein Coachee wirklich zwischen zwei Optionen hin- und hergerissen ist, z.B. der Option zu kündigen und der Option im bisherigen Job weiterzuarbeiten, wende ich gerne das Tetralemma an. Das ist eine sehr gute und hilfreiche Methode aus der Aufstellungsarbeit zum Thema Entscheidungsfindung.

Hier werden die unterschiedlichen Optionen (in diesem Fall: 1. Kündigung, 2. Bisheriger Job, 3. “sowohl als auch” und 4. “weder noch”) auf Post it’s geschrieben und an unterschiedliche Stellen auf den Boden gelegt. Der Coachee stellt sich nacheinander auf die verschiedenen Optionen (wirklich auf das Post It!) und beschreibt, welche Bedeutung diese Option für ihn/sie hat, welche Gefühle bei jeder einzelnen Option hochkommen, zu welcher Option es ihn/sie hinzieht.

Die Option “sowohl als auch” kann neue Perspektiven mit einbringen. Hier können beispielsweise neue Optionen wie “im alten Job bleiben, aber in Teilzeit gehen und nebenberuflich eine Selbständigkeit beginnen” oder “beim bisherigen Arbeitgeber bleiben, aber eine neue Rolle finden” enstehen.

Die Option “Weder noch” erlaubt dem Coachee einmal ganz neu und offen über weitere Optionen nachzudenken und auch verrückte Ideen zuzulassen, wie beispielsweise “ein Fernstudium beginnen” oder “die Elternzeit verlängern, um eine Reise nach xy zu ermöglichen”.

Am Ende der Übung bitte ich meine Coachees immer, sich physisch von allen vier Optionen zu entfernen und nochmal über das Gesamte zu reflektieren: Was hat mir die Übung an neuen Erkenntnissen gebracht und inwiefern hat mich die Übung weitergebracht in meiner Entscheidung bzgl. meine beruflichen Zukunft?

Mein Fazit

Ob kündigen sinnvoll ist, hängt von der Situation ab (ich gebe zu, dieser Satz überrascht bestimmt nicht!). Sinnvoll ist in jedem Fall, sich vor einer Kündigung - idealerweise schon während der Elternzeit - Gedanken zu machen zur eigenen beruflichen Zukunft. Somit ist ein erster wichtiger Schritt getan und die eigentliche berufliche Neuorientierung, die möglicherweise mit einer Kündigung einhergeht, geht dann um einiges leichter und schneller und kann genau dann erfolgen, wenn man selbst soweit ist und die eigene Familie stabil genug ist.

Und jetzt?

Wenn auch Du Dich fragst, ob Du nach der Elternzeit in Deinem bisherigem Job arbeiten möchtest oder doch kündigen solltest und wenn Du Dich fragst, ob ein Coaching das richtige für Dich ist, schreibe mir gerne. Wir finden gemeinsam heraus, ob und wie ich Dich bei Deinen Überlegungen unterstützen kann!

Teile Deine persönliche Geschichte!

Hast Du Dich während Deiner Elternzeit neu orientiert und möchtest andere an Deiner ganz persönlichen Geschichte teilhaben lassen? Schreib mir und ich führe ein kurzes Interview mit Dir, welches ich gerne in meinem Blog veröffentliche. Ich freue mich auf Deine Nachricht!

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